Anfang April war meine erste Arbeitswoche seit neun Monaten - seit meiner Brustkrebsdiagnose, meiner Chemo, meiner Bestrahlung. Und ich beschönige nichts, wenn ich sage: Es war hart. Am Ende war ich so durch mit der Welt, dass ich nur auf der Couch sitzen und weinen konnte, weil sonst nichts mehr ging. Vorher hatte ich gedacht, es wird schon gehen. Es sind nur 10 Stunden. Ich bin eigentlich ja wieder fit. Doch diejenigen unter euch, die den harten Weg zurück ins Leben, in eine neue Normalität, gemacht haben, wissen es besser. Ihr wisst, dass dieser Weg genauso hart sein kann, wie der Weg durch die Behandlung.
Aber warum war es so schwer? Warum war es so schwer, zu etwas zurück zu gehen, das man die letzten 12 Jahre ohne Probleme bis zu 60 Stunden die Woche geschafft hat? Ich glaube, es sind viele kleine Dinge, Dinge, die andere Menschen nicht unbedingt sehen oder verstehen können.
Es ging in der Woche vor der Arbeit schon los. Ich habe mich das erste Mal richtig im Spiegel angeschaut, durch die Augen anderer Menschen. Und alles, was ich sehen konnte, war das kurze, angegraute Chemo-Haar, die wächserne Haut, die letzten Spuren des Steroid-Gesichts - die hart verdienten Narben einer harte Reise. Damit wollte ich nicht auf die Arbeit gehen. Während der Behandlung war mir das alles egal gewesen - aber auf der Arbeit? Unmöglich. Daher musste ich mir erstmal die Haare färben. Und neues Make-up kaufen. Und neue Arbeitskleidung. Die alte passte nicht mehr, weil mein Körper sich so verändert hat von der Antihormontherapie. Ich musste erstmal in meine ‘Rüstung’ investieren, die mich schützen sollte.
Dann kam der erste Arbeitstag. Zum ersten Mal seit neun Monaten musste ich morgens aufstehen, duschen, Haare machen, Make-up auflegen, ordentliche Bürokleidung anziehen (flache Schuhe natürlich - Absatzschuhe gehen nach Chemo und Hormontherapie ja nicht) und frühstücken - und das alles vor 8 Uhr. Das war die erste Hürde.
Im Büro kam die nächste - mit Maske und kurzen Haaren erkennt einen niemand.
Jeder, den man trifft, lächelt freundlich und dann dauert es einen Moment, bis das Gesicht sich verändert, das Erkennen einsetzt und….’toll siehst du aus - und die super Frisur!!!’ und man lächelt und bedankt sich, damit sich alle besser fühlen. Dann kommen die ersten Meetings, und auf einmal muss man sich Stunden am Stück konzentrieren, man muss funktionieren, man muss Small Talk machen. Keine Zeit für eine kurze Pause, kurzes Durchatmen, einen kurzen Mittagsschlaf auf der Couch. Die erste Hitzewallung von den Medikamenten ist auch schon vorprogrammiert. Auf dem Bildschirm im Call sieht man sich selber rot werden - super.
Ich hab an diesem ersten Tag auf der Arbeit mehr Menschen gesehen, als in den letzten neun Monaten. Soziale Interaktionen sind anstrengend. Ich sage nicht, dass es nicht schön war, die Kollegen wieder zu sehen, den menschlichen Kontakt zu haben. Es war toll. Ich gehe gerne zur Arbeit und ich freue mich über dieses kleine Stückchen Normalität. Aber es war hart.
Und es darf hart sein. Und es ist wichtig, es sich einzugestehen, dass es jetzt erstmal eine Weile hart ist. Alle haben mich gewarnt - meine Ärzte, meine Krebs-freunde, meine Vorgesetzten und die nette Dame von der IV. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Aber es ist leider eine Tatsache - der Weg in eine neue Form der Normalität ist nicht leicht. Wir müssen auf uns selber aufpassen in dieser Zeit. Auf unseren Körper und unsere Bedürfnisse hören. Wir sind nicht mehr die, die wir waren - wir haben etwas geleistet, das nur wenige durchmachen müssen. Und wir sind am anderen Ende herausgekommen. Aber der Weg zurück in diese neue Art der Normalität ist hart.
Nina
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