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Was Harry Potter und Brustkrebs gemeinsam haben

Ich vermute, die meisten von euch haben Harry Potter gelesen oder die Filme geschaut. Für alle anderen hier eine kurze Zusammenfassung: Der 10-jährige Harry Potter lebt ein einigermassen normales Leben. Er hat Zukunftspläne, wie jeder normale Junge seines Alters. Bis er eines Tages einen Brief bekommt, der sein ganzes Leben verändert und alle seine Pläne über den Haufen wirft. Von nun auf gleich ist er anders als die Menschen um ihn herum. Er ist jetzt ein Magier und lebt in einer neuen Welt – einer Welt, in die ihm seine Familie und Freunde nicht folgen können, weil sie sogenannte Muggel (nicht-Magier) sind. Zum Glück findet er in Hogwarts, der Schule für Magie, von Anfang an neue Freunde namens Ron und Hermine, die mit ihm in den kommenden Jahren durch Dick und Dünn gehen.

So ist es irgendwie auch mit Brustkrebs. Man lebt so vor sich hin, man hat Pläne und dann kommt ein Anruf vom Arzt, und alles ist anders. Und auf einmal verstehen einen die Menschen um einen herum nicht mehr. Als wäre eine unsichtbare Mauer hochgezogen - auf der einen Seite sind wir Magierinnen mit unserem Brustkrebs und auf der anderen Seite sind die Krebs-Muggel.


Wenn ich mich mit anderen Brustkrebs-Betroffenen unterhalte, erlebe ich so oft, dass alle enthusiastisch mit dem Kopf nicken und ‘genau’ rufen, wenn jemand etwas erzählt. Egal, ob es um Arztbesuche, Chemo-Erfahrungen oder den Wiedereinstieg in den Beruf geht. Man ist auf einer Wellenlänge. ‘Während meiner Chemo wollte ich nur Pasta und Zucker essen!’ ‘Große Menschengruppen sind so anstrengend!’ ‘Wenn noch eine Person mir sagt, wie toll ich aussehe, drehe ich durch!’ Das sind nur einige der Sachen, bei denen wir uns alle einig sind.


Auf der anderen Seite kennen alle von uns die Momente während der Behandlung und danach, in denen wir uns wünschten, die Krebs-Muggel, die uns nahe stehen, verstünden uns besser. Wüssten, was wir brauchen, was wir hören möchten oder was wir nicht hören wollen. Bitte versteht mich nicht falsch: Es gibt Ausnahmen, und viele Menschen geben sich wirklich Mühe, aber meistens klappt es irgendwie einfach nicht so richtig.


Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich mit Krebs-Muggeln zu lange über meine Krankheit rede. Für sie ist es oft unangenehm und es ist nun ja auch schon so lange Thema. ‘Du bist ja jetzt auch bald fertig!’ ist auch so eine Aussage der Krebs-Muggel, wenn sich die Chemo oder die Reihe der Operationen dem Ende zuneigt. Für sie ist das ein wichtiger Meilenstein, weil sie denken, danach kommen wir zurück in ihre Muggel-Welt.


Aber für uns Magierinnen ist es damit nicht getan. Wir leben mindestens die nächsten paar Jahre noch in Hogwarts. Jedes Ziepen ist ein neuer Tumor, jedes Stück Zucker kann krebserregend sein, jede Anstrengung kann uns flachlegen. Wir versuchen immer noch immer, uns in der magischen Welt zurecht zu finden und, wie es immer so ist mit neuen Erfahrungen, wir werden nicht müde, uns darüber zu unterhalten. Darum bin ich so dankbar für meine magischen Krebs-Freundinnen. Die Herminen meiner neuen Welt.


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